Welcher Weg ist mein Leben, wie gehe ich mein Werden, was war und ist wichtig?

Eindeutig an all dem ist lediglich der Anfang, ein Märztag, früher Morgen, 1965. Ich komme von Wer-Weiß-Woher in Hamburg an.

Was mich zum ersten Schrei veranlasst, Freude oder Schrecken, habe ich vergessen.



Auch Kindheit und Jugend sind verschwommen, das Aufwachsen verläuft unauffällig. Das Nicht-Auffallen-Wollen ist in dieser Zeit vielleicht das größte Bestreben. Zweifel, gedankliches Abweichen, Unwille und Fragen werden so gut wie möglich nach Innen verbannt. Das nach Außen Tragen der Eigensicht wird als bedrohliche Katastrophe eingeschätzt und deshalb nur im aller engsten Kreis gelebt.

Vielleicht ist es der Ausbruchsversuch aus diesen selbst erbauten Mauern, der mich ins gestalterische Schaffen hineinstolpern lässt. Vielleicht aber auch die immer verfügbaren Wachsmalstifte, die ständig skizzierenden Eltern, die feinmotorische Überlegenheit meiner großen Schwester. Oder vielleicht ist auch schlicht und einfach der nicht hinnehmbare Mangel an Kleidungsauswahl für meine Puppe der Türöffner zur handwerklichen Schöpfungswelt. Er nötigt mich zur Schaffung meiner ersten Eigenkollektion, die mittels der mir damals einzigen zur Verfügung stehenden Verarbeitungstechnik, dem großflächigen Kleben mit Tesa und Uhu, gefertigt wird.



Obwohl also bereits im vorschulischen Alter das spätere Betätigungsfeld zum Greifen nahe liegt, bedarf es noch vieler Umwege, zahlreicher studentischer Fließbandjobs und eines interessensfernen Studienganges, bis ich schließlich in der Textilklasse der Hamburger Kunsthochschule zum ersten Mal das Gefühl habe, weich gelandet zu sein.



Hier ist Platz für den Beginn meiner Suche, für das Aufspüren vom Zugang zum Leben. Das Nicht-Vorhanden-Sein von äußeren Vorgaben ermöglicht erstmals das Ausgraben der Eigenmotivation. Obwohl inspirierende Begleitung großenteils fehlt, wird dieser Freiraum als großer Glücksfall erlebt. Er wird als so kostbar empfunden, dass eine Anpassung an hierarchisch vorgegebene Arbeitsaufträge nicht mehr vorstellbar scheint und bahnt so den Weg in die Selbstständigkeit.


Von hier an entsteht Vieles, so Vieles, dass das regelmäßige Ausmisten von Werkstatt und Lagerraum neben Klärung auch immer wieder die quälende Frage nach der Sinnhaftigkeit von materiellem Schaffen aufwirft. Doch auch wenn ein Großteil in der Nachbetrachtung als unnütz und ungenügend aussortiert wird, so überlebt doch ein kleiner Teil den kritischen Blick, rechtfertigt die bleibende Faszination an textilem Material und stärkt den Drang nach handwerklichem Schaffen.


Was also bleibt von der Zeit ab Studienabschluss im Jahre 1997 bis zum Sommer 2018, der einen Neuanfang markiert und das auf dieser Website Vorgestellte entstehen lässt?

Handtaschen in klassischer Form aus gesteppten Plastiktüten, handgefertigte Unikate, die sich Ende der 90er Jahre noch unverbraucht als Upcyclingprodukte bezeichnen können und die bei den ursprünglichen Produzenten erstaunliche Reaktionen hervorrufen und mir unter anderem zu interessanten Gesprächen mit einigen Rechtsabteilungen namhafter Firmen verhelfen.



Gleichermaßen verblüffend ist das Verhältnis von öffentlicher Aufmerksamkeit (der Sommer 2000 lockt zahlreiche Presseteams in meine ländliche Werkstatt) und monetärem Erfolg. Ein schmerzhaftes Missverhältnis, was mich aus dem freien ins zweckgebundene Schaffen hineinlenkt, Rucksäcke, Wolldecken, Kissen, Pantoffeln, Schürzen, Spieluhren  und vieles mehr entstehen lässt und 2003 schließlich in der Gründung eines eigenen Ladens mündet.

Insgesamt 15 Jahre, 2 Ladengründungen, beide im Bereich Kinderprodukte, mit einer eigenen kleinen Kollektion und viel Handelsware drumherum, schrumpfen nach Wegkürzen von ganzjähriger, fast täglicher Präsenz und viel Alltagsroutine auf eine kurze Zeitspanne  gestalterischen Schaffens zusammen.Gefüllt mit Konzeption der Ladeneinrichtung, Erarbeitung von Präsentationskonzepten inklusive Onlinepräsenz und dem Ersinnen von wechselnden Geschichten und Szenarien, die regelmäßig in Schaufenster und Newsletter präsentiert werden.Dieses bildhafte Geschichtenerzählen ist wahrscheinlich die für mich beglückendste Tätigkeit während dieser Jahre. Ein für mich neues Betätigungsfeld, in praxisbegleitender Ausbildung erlernt, welche ich vollkommen kosten- und bedingungsfrei von meiner persönlichen Lehrmeisterin erhalte, die zufälligerweise auch meine Tochter ist. Der Ladengründung altersmäßig nicht weit voraus, lebt sie mir Kreativität vor, zeigt mir, dass unverzwecktes Spielen mit einem unerschöpflichen Maß an Fantasie und Varianten einhergeht und wird mit zunehmendem Alter neben Ideengeberin auch Ausführungspartnerin.




Dann der befreiende Beschluss von meinem Mann und mir, die handbetriebene Automatiktür des gemeinsam geführten Ladens für immer zu schließen und noch einmal Raum zu schaffen für Neues...